Schulterprothese

Wer jemals über längere Zeit Schmerzen hatte, weiss, wie belastend das sein kann. Man kann den Arm nicht gebrauchen, ist im Alltag eingeschränkt und muss regelmässig Schmerzmittel einnehmen, die ihre Nebenwirkungen haben. Der erste grosse Erfolg der Schulterprothesen ist, dass diese chronischen Schmerzen bei der Mehrzahl der Patientinnen und Patienten aufhören. Nur schon deswegen hat man eine ganz neue Lebensqualität gewonnen. Hinzu kommt, dass die Funktionalität des Armes in fast jedem Fall verbessert wird. Sicher wird sie nicht schlechter. Wenn man sich wieder ankleiden kann, essen, ohne zu kleckern, falls nötig, den Stock nehmen, ohne dass die Schulter schmerzt, merkt man, welch grossen Gewinn man hat.

Welche Prothesen gibt es?

Die Entwicklung der Schulterprothesen verläuft ungefähr seit den Achtzigerjahren rasant. Deshalb gibt es eine Vielzahl von Produkten auf dem Markt, die sich zum Teil erheblich, zum Teil nur detailhaft voneinander unterscheiden. Grundsätzlich gibt es aber zwei Typen von Schulterprothesen:

Die anatomische Prothese

Sie heisst so, weil sie die natürliche Anatomie des Schultergelenks abbildet. Wo früher der Oberarmkopf war, befindet sich dann ein Metallkopf in derselben Grösse, der über einen Schaft im Knochen verankert wird. Und dort, wo früher die Gelenkpfanne war, befindet sich eine Gelenkpfanne aus einem spezifischen Polyethylen. Diese Prothese hat den grossen Vorteil, dass sie die Beweglichkeit des Schultergelenks vollständig wiederherstellt und damit auch sehr hohen Ansprüchen genügt. Mit dieser Prothese kann Sport getrieben, manchmal sogar Tennis gespielt werden. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass Golfer nach Prothesenoperation weiter abschlagen konnten als vor der Operation. Der Nachteil ist, dass diese Prothese auf das einwandfreie Funktionieren der Rotatorenmanschette angewiesen ist. Ist dies nicht der Fall oder lässt die Funktion der Muskulatur mit der Zeit nach, kann die Prothese ihre Funktionalität nicht entwickeln oder verlieren und der Arm kann nur ungenügend gebraucht werden.

Die inverse Prothese

Der Franzose Paul Grammont entwickelte in den Achtzigerjahren, nach intensiven anatomischen und biomechanischen Studien das Konzept einer Prothese, die auch ohne die Funktionen der Rotatorenmanschette auskommen würde. Der Prototyp hiess die Trompete, und zwischen 1986 und 1987 wurden acht solcher Trompeten implantiert. Mit Erfolg: Personen mit zuvor unbeweglichen Schultern konnten den Arm wieder anheben.

Die grossartige Leistung besteht darin, dass nicht die Anatomie des Schultergelenks kopiert wird, sondern dessen Funktion. Dies geschieht, indem die Komponenten umgedreht (invertiert) werden. Da, wo einst die Gelenkpfanne war, wird eine Halbkugel implantiert, und wo der Oberarmkopf war, wird eine Pfanne verankert. Weil diese Pfanne deutlich tiefer ist und einen kleineren Durchmesser hat als die originale Gelenkpfanne, hat sie eine grössere eigene Stabilität und ist deswegen nicht auf die Rotatorenmanschette angewiesen. Der Oberarmkopf wird nun mit dem Deltamuskel allein bewegt. Die Deltaprothese ist entstanden.
Der grosse Vorteil dieser Prothese ist also, dass sie auch bei einer stark beschädigten oder abgenutzten Schulter funktioniert. Der Preis, den man dafür bezahlt, ist eine etwas verminderte Beweglichkeit des Schultergelenks, die vor allem bei Bewegungen über den Kopf und hinter den Rücken limitierend wird

Wie eingangs erwähnt, ist die Frage, welche Prothese für Sie die richtige ist, abhängig vom Zustand und der Funktion Ihrer Schulter.

Werden Prothesen für mich individuell hergestellt?

Nein. Die Variabilität der einzelnen Implantate ist sehr hoch, und die Prothesen werden in Komponenten hergestellt, die kombinierbar sind. Damit kann die Anatomie stets so gut abgebildet werden, dass in jedem Fall eine funktionierende und passende Prothese implantiert wird.

Vor der Implantation einer Prothese wird anhand einer dreidimensionalen Rekonstruktion der Computertomografie die Knochenanatomie der Schulter genau abgebildet, und die Prothesenkomponenten werden detailliert und individuell ausgetestet, bis die passende Kombination gefunden ist. So kann das bestmögliche Resultat gewährleistet werden.

Wie verläuft eine Schulerprothesen-Operation?

Die Operation an der Schulter ist hochgradig standardisiert, was hilft, Fehler zu vermeiden. Wichtig ist die gute präoperative Planung, welche die verschiedenen Knochenschnitte definiert und die Implantatgrössen festlegt. Während der Operation werden diese Planungsdaten laufend überprüft und bestätigt.

Der Zugang zum Schultergelenk erfolgt vorne an der Schulter, weil es hier eine Ebene zwischen zwei Muskeln gibt, in der keine Nerven verlaufen. So wird das Gelenk geschont. In der Tiefe muss ein Muskel abgelöst werden, am Ende der Operation wird er refixiert.

Der wichtige Axillaris-Nerv wird identifiziert, um ihn zu schonen. Und dann werden Verwachsungen und Vernarbungen, die es bei einer Arthrose oft gibt, abgelöst, und das Gelenk wird dargestellt. Nun kann am Oberarmkopf der erste Schnitt stattfinden, der den Kopf ablöst und das Bett für die Prothese vorbereitet. Danach wird an der Gelenkpfanne der restliche Knorpel entfernt und je nach Typ der Prothese eine neue Pfanne oder eine Kugel eingesetzt. Schliesslich wird das entsprechende Gegenstück am Oberarmkopf so eingepresst, dass es nicht mit Zement fixiert werden muss. Zunächst werden Probekomponenten eingebracht, und mit diesen wird die Funktion des Gelenks getestet. Erst, wenn alles stimmt, werden die definitiven Implantate eingebracht. Schliesslich werden der vordere Muskel und dann die Haut vernäht. Eine Ruhigstellung für einige Tage ist notwendig, da sie gegen allfällige Schmerzen hilft.

Wie lange dauert eine Prothesen-Operation?

Die Operation einer Schulterprothese dauert in der Regel ca. zwei Stunden. Die Operationsdauer hängt davon ab, welche Umstände man in der Operation bei einem spezifischen Patienten vorfindet. Der Eingriff ist aber gut standardisiert und verläuft in den allermeisten Fällen komplikationslos. Nach der Operation erholt man sich rasch vom Eingriff, Schultereingriffe sind für den ganzen Körper nicht sehr belastend.

Wie kann ich mich auf die Operation vorbereiten?

Muskulatur und Beweglichkeit

Es ist hilfreich, wenn Sie vor der Operation eine möglichst gute Muskulatur am Schultergürtel und eine gute Beweglichkeit im Gelenk haben. Beides hilft Ihnen bei der postoperativen Rehabilitation erheblich. Insbesondere bei schlecht beweglichen Gelenke besteht das Risiko einer postoperativen Schultersteife (diese ist bei der Prothese glücklicherweise nicht häufig). Die Physiotherapie erarbeitet mit Ihnen ein Programm, das Sie zu Hause durchführen können und das Ihnen hilft, Kraft und Beweglichkeit zu erhalten.

Kortison-Infiltrationen

Es ist sehr wichtig, mindestens vier Monate vor einer grossen Operation keine Infiltration ins Gelenk mehr vorzunehmen. Anderenfalls steigt das Risiko einer Gelenkinfektion rund um eine Prothesenoperation erheblich.

Immunsystem

Ein starkes und gesundes Immunsystem hilft, Komplikationen rund um eine Operation zu minimieren. Hierzu dienen gut verträgliche Nahrungsergänzungsmittel, aber auch ein gesundes Leben, genügend Schlaf und ausreichend Bewegung im Freien.

Um das Infektionsrisiko rund um eine Operation weiter zu minimieren, empfehlen wir Ihnen, sich am Vorabend der Operation mit einem speziellen Mittel zu duschen, das desinfizierend wirkt.

Hausarzt

Vor jeder Operation ist es wichtig, beim Hausarzt die nötigen präoperativen Abklärungen machen zu lassen. Er wird diese an den Narkosearzt und den Chirurgen weiterleiten, damit diese über Ihren Zustand genau informiert sind.

Zahnärztliche Kontrolle

Infektionen von künstlichen Gelenken können durch die regulären Mundbakterien ausgelöst werden. Deswegen empfehlen wir vor einer Prothesenoperation den Besuch beim Zahnarzt, um nötigenfalls die Zähne sanieren zu lassen. Auch ein Besuch bei der Dentalhygiene ist empfehlenswert. Nach der Operation hingegen sollte während mindestens dreier Monate kein Zahneingriff und keine Dentalhygiene stattfinden, um die frische Prothese zu schützen.

Wie lange dauert der Klinikaufenthalt?

Schon nach ein bis zwei Tagen kann man den Arm wieder für leichte Verrichtungen brauchen. Im Spital bleibt man in der Regel etwa fünf Tage, je nachdem, wie rasch man sich erholt und wie die Schmerzen sind. Die Operation ist nicht sehr schmerzhaft, dennoch wird häufig ein Schmerzkatheter verabreicht, um postoperativ die schnelle Beweglichkeit zu fördern.

Risiken und Komplikationen

Das Vermeiden von Komplikationen hat oberste Priorität bei orthopädischen Eingriffen. Deshalb sind Schulteroperationen hochgradig standardisiert, sodass man zu jedem Zeitpunkt weiss, welches der nächste Schritt ist und in welcher anatomischen Umgebung man sich befindet. Strukturen, die geschont werden müssen (z. B. der Nervus axillaris), werden vorgängig dargestellt, sodass ihre Anatomie vollständig übersichtlich ist. Dennoch ist jede Operation ein eigenes Werk, und jeder Patient ist unterschiedlich. Ein guter Operateur muss deswegen einerseits gut vorbereitet sein, andererseits in der Lage, sich auf Unvorhergesehenes einzustellen.

Allgemeine Risiken treten bei jeder Operation in Erscheinung und beinhalten unter anderem: Infektionen, Wundheilungsstörungen, Blutergüsse und Nachblutungen. Schulterspezifische Risiken ergeben sich durch die komplexe Anatomie, denn die Nerven und Gefässe für den Arm sind sehr nah. Theoretisch können sie verletzt werden, glücklicherweise sind das seltene Ausnahmen. Auch die Muskeln der Schulter werden bei der Operation strapaziert, sie erholen sich aber schnell. Wichtig ist das korrekte Platzieren der einzelnen Prothesenkomponenten, was manchmal aufgrund der Anatomie und der Übersichtlichkeit nicht ganz einfach ist. Werden sie ungenau platziert, resultiert eine Bewegungseinschränkung. Sehr selten kommt es beim Implantieren der Prothesen zum Bruch des Knochens, der sie tragen sollte. In der Regel ist das Gelenk in den ersten Wochen nach einer Prothesenoperation etwas steif und unbeweglich. Mit Physiotherapie erholt es sich aber sehr schnell. Glücklicherweise sind Schmerzen bei der überwiegenden Zahl der Prothesen kein Thema.

Nach der Operation geht es den meisten Patienten so schnell so gut, dass eine stationäre Rehabilitation kaum je nötig wird. Da die Gehfähigkeit der Patienten erhalten ist und sie den Arm schon sehr bald wieder im Alltag gebrauchen können, sind sie auch zu Hause nur wenig eingeschränkt.

Da die inverse Prothese die Anatomie am Schultergelenk verändert, ändert sich manchmal auch die äussere Erscheinung ein wenig. Die Schulter ist etwas weniger breit und wirkt deswegen fallend.

Was ist die Lebensdauer einer Schulterprothese?

Die von Paul Grammont eingesetzten Prothesen hielten bis zu 15 Jahre. Weil sich die modernen Prothesen stetigen Neuerungen unterziehen und heute mit neueren Typen von Implantaten gearbeitet wird, ist es nicht immer untersucht, wie lange die jeweilige Lebensdauer einer Prothese ist. Alle neueren Studien zeigen aber, dass die Langlebigkeitsrate mehr als 90 Prozent nach zehn Jahren beträgt. Es gibt eine ältere Studie von Prof. L. Favard, der eine Abschwächung der Deltoideus-Muskulatur nach sieben bis zehn Jahren festgestellt hat. Höchstwahrscheinlich kamen diese Resultate aber aufgrund der alten Prothesentypen zustande, bei denen man den Muskel sehr stark zerrte. Die modernen Implantate erdordern dies nicht mehr. Hauptsächlich die Verankerung der Gelenkpfanne bei den anatomischen Prothesen kann sich mit der Zeit lösen, dies ist der limitierende Faktor. Ausserdem kommt es bei gewissen Prothesen zu einem Rückbau der Knochen um das Implantat. In den allermeisten Fällen bleibt dies aber ohne Konsequenz.

Eine grosse Gefahr für die Prothese sind Stürze, die nicht nur die Schulter ausrenken, sondern auch zu Brüchen um die Prothese führen können. Diese sind anspruchsvoll zu behandeln und machen in der Regel eine weitere Operation nötig.

Die Risiken bei einer ersten Operation sind klein. Bei Wiederholungsoperationen oder bei Patienten, die voroperiert sind, steigen die Risiken.

Das Risiko einer Protheseninfektion besteht zeitlebens z. B. in Zusammenhang mit einer Zahninfektion oder einer Lungenentzündung. Deshalb müssen sich Prothesenträger bei Infektionen besonders schützen. Informieren Sie Ihren Arzt und Zahnarzt darüber, wenn Sie eine Prothese haben. Eine Infektion an einem künstlichen Gelenk ist nur sehr schwer zu therapieren und bedingt oft, dass das Gelenk entfernt wird und später, wenn möglich, ein neues eingesetzt wird. Diese grossen Revisionsoperationen sind schwierig und belastend und bedürfen einer besonderen Expertise.

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PD Dr. med. Andreas L. Oberholzer ist ein erfahrener Facharzt FMH für Orthopädie und Unfallchirurgie.

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PD Dr. med. Andreas L. Oberholzer

PD Dr. med. Andreas L. Oberholzer

Facharzt FMH für Orthopädie und Unfallchirurgie. Spezialgebiete: Knie-, Hüft- und Fusschirurgie.

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